Stoffe, Fasern, Materialien - Kunstfasern

Stoffe, Fasern, Materialien - Kunstfasern

Wenn die Chemie stimmt...

Nachdem wir euch im letzten Teil gezeigt haben, welche unterschiedlichen Möglichkeiten es gibt, mit Hilfe mechanischer Verfahren aus pflanzlichen oder tierischen Fasern Stoffe herzustellen, kommen wir an dieser Stelle nicht mehr ohne chemische Prozesse aus.  Die Kunst- oder auch Chemiefasern kann man nach Fasern natürlichen Ursprungs, also aus natürlich vorkommenden Rohstoffen, in der Regel Zellulose, und Fasern synthetischen Ursprungs unterscheiden. Hierfür ist das sogenannte Naphtha, Teil des Rohöls, der Ausgangsstoff. Anders als die Naturfasern, die die Menschen schon seit Jahrtausenden begleiten, sind manche Kunstfasern erst Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden. Die frühesten synthetischen Fasern wurden erstmals Mitte des 17. Jahrhunderts hergestellt. In den letzten Jahrzehnten haben sie aber  ihren Siegeszug in der Textilbranche erst so richtig angetreten. Etwa 70% aller Textilfasern, und somit auch ein Großteil der Second Hand Kleidung, bestehen heute aus Kunstfasern. Dies liegt vor allem an der schnellen und günstigen Herstellung der synthetischen Fasern. Dabei entwickeln sich immer neue Methoden der Herstellung, weshalb es inzwischen sehr viele unterschiedliche Chemiefasern gibt, die sich geringfügig in ihren Produktionsverfahren und Eigenschaften unterscheiden. Wir gehen auf ein paar davon ein und prüfen, aus welchen Fasern eigentlich nachhaltige Kleidung bestehen sollte.  

 

Natürlicher Ursprung

Viskose

Die Viskoseherstellung beginnt mit Zellulose aus Holz- und Pflanzenfasern. Durch Zersetzung mit Natronlauge und anschließender Zugabe von Schwefelkohlenstoff entsteht eine Masse, die durch Spinndüsen gepresst werden kann. Genau von dieser Masse, genauer gesagt Viskose, hat die Faser auch ihren Namen.

Vorteile:

-          Weich und antistatisch

-          Leicht zu färben

-          Saugfähig

-          Seidig glänzende Optik und weicher Fall

Nachteile:

-          Kann beim Waschen einlaufen

-          Knittert leicht

Pflege:

Bei maximal 40 Grad waschbar, so gut wie möglich nach Farben sortiert, vorsichtig bügeln.

Nachhaltigkeit:

Da die Ausgangsstoffe der Viskose nachwachsend sind, kann man meinen, dass die Viskose durchaus nachhaltig ist. Jedoch werden diese mit einer Vielzahl von Chemikalien bearbeitet. Das sind zum Beispiel Natronlauge oder Schwefelsäure. Wer eine weniger belastende Herstellungsmethode  sucht, sollte auf die Bezeichnung Lyocell/ Tencel achten. Die Zellulose wird bei diesem Verfahren mit einem deutlich umweltschonenderen Lösungsmittel behandelt.

 

Modal

Die Kunstfaser Modal  wird aus Zellulosefasern des Buchenholzes gefertigt. Modal ist der Viskosefaser sehr ähnlich, jedoch unterscheiden sich die Spinnverfahren. Das Verfahren gilt als Weiterentwicklung der Viskoseherstellung. Kleidungsstücke, die aus Modalstoffen genäht wurden, haben sehr viele positive Eigenschaften, wohingegen die Nachteile sehr gering sind.

Vorteile:

-          Saugfähig und atmungsaktiv

-          Widerstandsfähig

-          Leicht zu färben

Nachteile:

-          Keine wärmenden Eigenschaften

Pflege:

Pflegeleicht und maschinenwaschbar bis 40 beziehungsweise 60 Grad.

Nachhaltigkeit:

Die Rohstoffe zur Herstellung sind natürlichen Ursprungs und das Verfahren benötigt weniger Energie und Wasser, als Baumwolle. Wie bei der Herstellung von Viskose werden aber auch für Modal verschiedene Chemikalien eingesetzt. Diese können aber rückgewonnen werden, das benötigte Buchenholz stammt teilweise schon aus nachhaltiger Forstwirtschaft. Insgesamt ist Modal dank der positiven Eigenschaften und der Möglichkeit einer schonenden Herstellung als Material für nachhaltige Kleidung zu empfehlen.

 

Acetat

Cellulose-Acetat stammt, genau wie die anderen Kunstfasern natürlichen Ursprungs, aus Zellulose, meist von getrockneter Baumwolle oder Buchenholz. Wie der Name der Faser schon andeutet, wird die Zellulose mit Essigsäure behandelt. Man bezeichnet den Acetatstoff, aufgrund Ähnlichkeiten zur echten Seide, häufig auch als Kunstseide. Neben Kleidung ist Acetat auch ein beliebtes Material für Brillenfassungen.

Vorteile:

-          Knittert kaum

-          Sehr dehnbar

-          Angenehm zu tragen

-          Weich und leicht

-          Schmutz- und feuchtigkeitsabweisend

Nachteile:

-          Neigt zur elektrostatischen Aufladung

Pflege:

Schonende Wäsche bei 30 Grad, nicht trocknen, bügeln nur auf niedriger Stufe.

Nachhaltigkeit:

Acetat bemnötigt Chemikalien zur Herstellung und ist kaum biologisch abbaubar. Auch wird es häufig mit für die Umwelt und die Gesundheit bedenklichen Stoffen gemischt, die nicht gekennzeichnet werden müssen. Acetatfaser ist aber insgesamt in der Nachhaltigkeit ähnlich wie andere zellulosische Fasern zu beurteilen.

 

Synthetischer Ursprung

Polyester

Polyester ist laut dem Preferred Fiber Market Report 2016 von Textile Exchange die meistverwendete aller Fasern. Sie ist günstig und einfach herzustellen. Ihr Ausgangsstoff ist Erdöl, aus dem Polyethylenterephthalat hergestellt wird. Im sogenannten Schmelzspinnverfahren, indem  das PET erwärmt und durch Spinndüsen gepresst wird, entstehen Fasern, die nach Belieben fein oder grob, rund oder kantig sein können.  Polyester wird für wetterbeständige Stoffe genutzt, aber auch  für edle Stoffe wie Chiffon, Lurex oder Satin.

Vorteile:

-          Pflegeleicht

-          Wetterbeständig

-          Leichte und feine Fasern

-          Schnelltrocknend

-          Form- und farbbeständig

Nachteile:

-          Bei großer Hitze empfindlich

-          Nicht atmungsaktiv

-          Potenziell hautreizend

Pflege:

Wäsche teilweise bis zu 60 Grad waschbar, bügeln oftmals gar nicht nötig, wenn dann auf niedriger Stufe.

Nachhaltigkeit:

Für die Herstellung werden fossile Rohstoffe benötigt, die nicht regenerierbar sind. Der biologische Abbau dieser Fasern kann bis zu mehrere hundert Jahre dauern. Ein weiteres Problem sind die Fasern, die in Form von sogenannter Mikroplastik beim Waschen in den Wasserkreislauf gelangen. 

 

Polyacryl

Das Polyacrylnitril, das dem Polyacryl seinen Namen gegeben hat, ist Ausgangsstoff für die beliebte Kunstfaser. Mittels Nass- oder Trockenspinnverfahren wird das Polyacrylnitril zu einer gekräuselten Spinnfaser, die in ihren Eigenschaften der Naturfaser Wolle ähnelt.

Vorteile:

-          Pflegeleicht

-          Wetterbeständig

-          Leicht und weich

-          Schnelltrocknend

Nachteile:

-          Hitzeempfindlich

-          Nicht temperaturausgleichend

Pflege:

Waschen nur bis 40 Grad (sonst kann Blausäure entstehen!), wenn möglich nicht trocknen.

Nachhaltigkeit:

Polyacryl hat seinen Ursprung im Erdöl, die Herstellung des Materials benötigt sehr viel Energie. Bei jedem Waschen gelangt zudem Mikroplastik ins Abwasser. Jedoch ist der Wasserverbrauch deutlich geringer als bei Naturfasern.

 

Polyamid

Die Herstellung von Polyamid ist ähnlich wie bei Polyester und Polyacryl. Das Material wird neben der Faserherstellung auch für Verpackungen verwendet. Um die Fasern zu gewinnen, wird, wie bei den anderen Chemiefasern künstlichen Ursprungs, das Schmelzspinnverfahren angewendet. Das bekannteste Produkt aus Polyamid ist wahrscheinlich die Nylon-Strumpfhose, aber auch Regenjacken oder Fallschirme werden aus dem robusten Stoff gefertigt.

Vorteile:

-          Elastisch und reißfest

-          Feuchtigkeitsabweisend

-          Knittert kaum

-          Leicht und fließend

Nachteile:

-          Hitzeempfindlich

-          Potenziell Hautreizend

Pflege:

Bei niedrigen Temperaturen waschen, nicht über 40 Grad, den Trockner meiden, nicht bügeln.

Nachhaltigkeit:

Auch in diesem Fall ist der Ausgangsstoff Erdöl als Minuspunkt in der Nachhaltigkeit zu nennen. Beim Waschen der Textilien entsteht, wie bei den anderen sythetischen Kunstfasern auch, Mikroplastik, die kaum mehr aus dem Wasser zu entfernen ist. Da der Stoff aber überaus robust ist, kann er lange getragen werden, wodurch die Lebensdauer der Kleidungsstücke steigt.

 

Fazit Kunstfasern

Kunstfasern aus Zellulose haben sehr viele positive Eigenschaften und kaum Nachteile. Über die synthetischen Fasern, also diejenigen, deren Name meist mit „Poly“ beginnt, lässt sich zusammenfassend sagen, dass sie leicht und robust sind, weshalb sie auch für Sport- oder Outdoorbekleidung beliebt sind. Jedoch können sie auch Hautreizungen hervorrufen, weshalb nicht jeder daran Freude hat.

Viskose und ihre Geschwister sind zwar nicht generell umweltfreundlich, es gibt aber inzwischen viele Herstellungsverfahren die als sehr positiv zu bewerten sind. Stichworte sind „Lyocell/ Tencel“ oder „Lenpur“, weshalb sich auch nachhaltige Labels der Zellulosefasern bedienen.

Produkte aus Erdöl sind generell kritischer zu sehen, da der Abbau der Produkte durch die Natur mehrere hundert Jahre dauern kann. Auch die Mikroplastik im Wasserkreislauf wird als kritisch gesehen. Geschätzt stammen 35% der Mikroplastik in den Meeren von synthetischen Textilien. Besonders viele Fasern werden bei neuen Kleidungsstücken ausgewaschen. Dennoch werden die Chemiefasern benötigt, um den Bedarf an Textilien zu decken. Kleidung aus synthetischen Kunstfasern sollte also so lange wie möglich getragen und so selten wie möglich ersetzt werden.  

 

Was sind nun die besten Fasern für unsere Kleidungsstücke?

Wie ihr seht, ist es gar nicht so einfach zu sagen, welche Materialien für nachhaltige Kleidung gut, und welche schlecht sind. Denn auch die Art der Nutzung spielt eine große Rolle. Eine Bluse hat schließlich eine andere Verwendung als eine Winterjacke. Wie ihr bereits im ersten Teil lesen konntet, sollten auch Naturfasern kritisch beäugt und ihre Herkunft hinterfragt werden. Ein biologischer Anbau und faire Arbeitsbedingungen machen sie jedoch zu nachhaltigen Begleitern im Alltag. 

Aber auch Chemiefasern haben durchaus ihre Daseinsberechtigung. Mit Blick auf die Haltbarkeit und die Lebensdauer der Kleidung sind nicht alle Stoffe gleich gut geeignet. Kunstfasern sind generell unempfindlicher, weshalb hier ein Pluspunkt auf ihr Nachhaltigkeitskonto wandert. Denn eine lange Lebensdauer bedeutet in der Regel eine geringere Produktion an Neuware. Das spart Ressourcen und macht Kleidung nachhaltiger. Second Hand Kleidung darf also gerne auch aus Kunstfasern bestehen. Die goldene Mitte bilden die Kunstfasern mit natürlichen Ausgangsstoffen. Sie haben viele positive Eigenschaften und es gibt in diesem Bereich Herstellungsmethoden, die kaum belastend für die Umwelt sind. Leider sind sie nichts für den Winter, da sie schlecht wärmen.

Wie schon zu Beginn des Themas erwähnt, besteht Kleidung aber zu einem großen Teil aus Fasermischungen, um Nachteile auszugleichen. Das macht es wirklich nicht einfacher, nachhaltige Kleidung zu erkennen. Generell herrscht immer noch wenig Transparenz für die Käufer. Wir müssen hauptsächlich auf die Informationen vertrauen, die die Hersteller uns geben. Wer auf Nummer sicher gehen will, kann auf bestimmte Siegel achten, die faire Arbeitsbedingungen oder Bio-Rohstoffe kennzeichnen.

Wenn ihr lieber Second Hand Kleidung kauft, sind diese Bedenken aber zweitrangig. In diesem Fall werdet ihr hauptsächlich auf die positiven Eigenschaften der Materialien achten, und ob sie beispielsweise hautfreundlich oder pflegeleicht sind. Und egal welches Material, die richtige Pflege ist wichtig, damit ihr lange Freude daran habt und weniger neu kaufen müsst. In unserem Blog findet auch Tipps zum nachhaltigeren Waschen

Zurück zum Blog